Vor ein paar Jahren sagte mal eine Kollegin zu mir: „Frank, Dein linker Arm ist ganz schön dick. Warst Du deswegen schon mal beim Arzt?“ Nein, natürlich war ich damit nicht beim Arzt. Warum auch? War mir irgendwie gar nicht aufgefallen. Damit fing irgendwie alles an.

Ich dachte mir nichts böses dabei, und so wollte ich trotzdem mal zu meinem Hausarzt gehen, nur um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung ist. Als ich bei meinem Hausarzt anrief, stellte ich fest, dass dieser im Urlaub war. Der Anrufbeantworter verwies auf alle anderen Ärzte, die ihn vertreten würden. Also suchte ich mir eine Ärztin in der Nähe aus. Schnell angerufen, einen Termin gemacht und hingefahren. „Oh, das sieht aus wie eine Thrombose.“ Hm, wie zieht man sich die denn zu? Und das noch im Oberarm? Naja, nach der Ursache fragte zunächst mal keiner. Die Ärztin stellte mir eine Überweisung aus für das Krankenhaus. Also fuhr ich ins Krankenhaus. Dort stellte man ebenfalls die Thrombose fest, schrieb mich für eine Woche krank und verschrieb mir einen Stützstrumpf für den Arm. Woher die Thrombose kam, darüber machte sich nach wie vor niemand Gedanken. Auch ich nicht. Bei der Ursachenforschung gab man sich damit zufrieden, dass ich Hunde hatte. „Oh, das kann schon mal vorkommen. Das war bestimmt eine ruckartige Bewegung. Die kann in manchen Fällen eine Thrombose auslösen.“ Nur all zu gerne gab auch ich mich mit dieser Erklärung zufrieden.

Ein paar Tage später absolvierte ich spontan mit meinem Leon den Team-Test. Dieser lief so gut, dass ich den ersten Platz belegte. Darauf hin wurde ich gefragt, ob ich nicht an der zwei Wochen später stattfindenden BH-Prüfung teilnehmen wolle. Eigentlich war ich erst für die darauf folgende BH-Prüfung mit Leon vorgesehen. OK, was hatte ich schon zu verlieren? Also sagte ich zu. Leon und ich nahmen dann also an der BH-Prüfung teil. Und Leon bestand die Prüfung, und zwar so gut, dass er wieder die höchste Punktzahl bekam. Zu dem Zeitpunkt war Leon 15 Monate und 5 Tage alt. Also, noch viel eher kann man die BH-Prüfung wohl nicht ablegen. Mit Bestehen der Prüfung war dann auch für mich klar: ich konnte direkt loslegen und durchstarten mit dem Turnierhundesport. Ich freute mich und war voll motiviert. Meinen ersten Rückschlag, bei dem ich mir allerdings nichts dachte, bekam ich bei einem Training, als ich scheinbar ohne Grund Kraft und Ballance verlor, und auf einmal der Nase nach auf dem Platz lag. Na ja, das kommt schon mal vor, zumal der Platz äußerst feucht und rutschig war. Das war im Herbst, so ca. Ende Oktober. Der Saison-Abschluss, bzw. die Winterpause standen direkt vor der Tür.

In der Zwischenzeit hatte sich bei mir am Hals so eine Art Ei gebildet. Ich dachte mir auch da nichts böses dabei, denn das tat auch nicht weh. Jedenfalls wurde das immer größer, und so dachte ich mir, dass ich vielleicht doch mal zum Arzt gehen sollte, weil das Ding da einfach nicht hingehörte, Vielleicht hatte ich eine Zyste, die einfach weg musste? Nun ja, meinem Hausarzt war das Ganze auch nicht so geheuer, und so schickte er mich zum Radiologen, um ein MRT machen zu lassen. Das Ergebnis, und wie ich es mitgeteilt bekam, war äußerst ernüchternd. Ein Wort wurde für mich sofort zum Unwort: „Raumforderung“. Ich bekomme auch heute noch ein komisches Gefühl, wenn ich dieses Wort höre oder lese. „Sie haben Krebs. Lungenkrebs. Hier ist Ihre CD. Alles weitere besprechen Sie mit Ihrem Hausarzt. Schönen Abend.“ Das war Freitags Abends. Da stand ich nun. Und wusste nichts damit und auch nichts mit mir anzufangen. Nachdem mir auch irgendwie klar war, wie groß der Tumor war, und in welchem Stadium ich mich damit befand, stellte ich mir natürlich einige Fragen, Also machte ich den Rechner an, und befragte „Dr. Google“. Wieso hatte ich Lungenkrebs? Ich rauchte doch gar nicht? Das konnte gar nicht sein. Wie viel Zeit blieb mir noch? Hatte ich noch genügend Zeit, alles zu regeln? Was würde mit Leon, meinem Hund, passieren? Wie sollte ich das meiner Familie, meinen Kindern sagen? Ich verstand es ja selbst nicht richtig. Irgendwie blieb die Zeit gerade stehen, und irgendwie verging die Zeit auch im Flug. So ganz richtig konnte ich gar nicht über die ganze Sache nachdenken. Ich wurde direkt in die erste Klinik nach Koblenz geschickt. Doch die erwies sich (zum Glück) als nicht zuständig für mich, denn – wie sich herausstellte – hatte ich zum Glück doch keinen Lungenkrebs. Ich hatte „nur“ Lymphdrüsenkrebs, eine Krebsart, bei der man relativ gute Chancen auf Heilung hat. Die Chance, diesen Krebs zu überleben, lag bei etwa 80%. Im nächsten Schritt wechselte ich also die Klinik, blieb aber innerhalb der Stadt Koblenz. Immerhin durfte ich ein paar Tage nach Hause. Neben meiner jüngsten Tochter, die noch bei mir wohnte, freute ich mich sehr, Leon, meinen Hund wiederzusehen. In der Zwischenzeit drückte der Krebs bereits auf meine Stimmbänder, so dass ich so gut wie gar nicht mehr richtig sprechen konnte. Und das sollte auch noch eine lange Weile so bleiben. Ein paar Tage später musste ich wieder in die Klinik. Ehrlich gesagt, wusste ich gar nicht so recht, wie und was mit mir geschah. Ich ließ alle nötigen Untersuchungen über mich ergehen, und glaubte nur all zu gerne alles positive, was mir von den Ärzten, Schwestern und Pflegern gesagt wurde.Ich bekam ganz viel Zuspruch. Und doch lag ich Tag für Tag, Woche für Woche in der Klinik. Auf meinem kleinen Tisch hatte ich Bilder von meinen Töchtern und natürlich auch ein Bild von meinem Leon. Irgendwie trieb mich die Sorge um ihn, und gleichzeitig gab er mir – obwohl er doch so weit weg von mir war – so viel Kraft. Ein richtiges Highlight für mich war, als meine Tochter mit Leon in die Klinik kam, und ich die Erlaubnis bekam, dass ich auf den Parkplatz runter durfte, um meinen Hund zu sehen. Es ist wahrscheinlich gar nicht richtig vorstellbar, aber, als ich zum Auto kam – Kraft hatte ich schon gar nicht mehr so viel, wie ich mir gewünscht hätte –, ließ meine Tochter Leon aus dem Auto. Und er freute sich sich so unbändig mich zu sehen. Er lief und er sprang. Er versprühte pure Lebensfreude. Und auch ich freute mich, meinen Leon zu sehen, so sehr, dass ich weinen musste. Und doch gab er mir zeitgleich so viel Kraft. Ich zog aus der Erinnerung an ihn und aus der Vorfreude, irgendwann wieder gemeinsame Spaziergänge mit ihm zu machen und mit ihm auf dem Hundeplatz zu arbeiten, so viel Kraft, dass es mir ganz viel leichter fiel, die Strapazen der Therapien durchzustehen. Irgendwann – nach 3 Zyklen Chemotherapie (je drei mal) und Antikörpertherapie durfte ich nach Hause, um den „Rest“ der Therapien (weitere 3 Chemotherapien sowie 5 Antikörpertherapien) ambulant durchzuführen. Alle Therapien hatten mich doch viel viel mehr Kraft gekostet, als ich gedacht hätte, und mir eingestehen wollte. Und so war ich gar nicht in der Lage einen Hund mit der Energie meines Leons alleine zu halten. Selbst die kleinste Steigung führte dazu, dass ich mehrere Pausen machen musste. Wer so etwas nie selbst erlebt hat (und ich hoffe für jeden, dass er das nicht erleben muss), wird dies nicht nachvollziehen können. Aber jeder Tag, an dem ich meinen Leon hatte (er sprang zu mir aufs Bett, und es schien, als wollte er mich nicht mehr aus den Augen lassen – es schien, als wollte er mich beschützen und auf mich aufpassen), gab mir so viel Kraft, das Ganze durchzustehen. Leon war und ist ein echter, richtiger Seelenhund. Er fühlt meine Stimmungen und wie es mir geht. Er kommt, um mich zu trösten und um mich aufzubauen. Viele Woche und Monate ging ich noch zu meinen Therapien. Und es sollte besser werden.

In der Zwischenzeit ergab sich eine weitere Änderung in meinem Leben. Einige Zeit bevor diese schreckliche Krankheit ausbrach – es war wie ein Schuss vor den Bug, mit dem Zeichen, doch irgendetwas in meinem Leben zu ändern, und die Prioritäten anders zu setzen – hatte ich mich dazu entschlossen, einen zweiten Tervueren bei mir aufzunehmen. Also ließ ich mich auf eine Welpenliste setzen. Nachdem dann die Krankheit ausbrach, wollte ich mich von der Welpenliste wieder runter nehmen, weil ich die Verantwortung nicht übernehmen wollte, diesen Welpen bei mir aufzunehmen, ohne zu wissen, ob und wie lange ich noch leben würde. Also sprach ich mit der Züchterin. Doch diese war beharrlich, und sagte mir, dass ich das schaffen würde, und ließ mich auf der Welpenliste drauf. Lange wusste ich ja nicht, wie das Ganze ausgehen würde. Und irgendwann war der Zeitpunkt da, dass die Welpen geboren wurden. Nun wurde es ernst. Nun musste ich Farbe bekennen, und meiner Züchterin sagen, ob ich den Welpen nun nehmen wollte oder ob ich ihn freigeben würde – Interessenten für den Welpen waren mehr als genug vorhanden. Mir ging es zu dem Zeitpunkt wieder so gut, dass ich das Risiko eingehen wollte – ganz im Gegensatz zur Meinung meiner Kinder. „Papa, Du brauchst die Kraft für Dich. Du kannst einen weiteren Welpen auch noch in zwei bis drei Jahren aufnehmen, aber nicht jetzt.“ Aber ich bin jemand, der zu seinem Wort steht. Meine Züchterin hatte die ganze Zeit zu mir gestanden, und hatte an mich geglaubt, und mir so ein gutes Gefühl und so viel Zuversicht gegeben. Also sagte ich, dass – zumal meine Züchterin wirklich die ganze Zeit zu mir gestanden hatte – ich den Welpen bei mir aufnehmen wollte. Und so zog Omero bei mir ein. Und auch Omero gab mir – genauso wie Leon – so viel Kraft, dass ich die ganze Krankheit bis hierher gut durchgestanden habe.

In der Zwischenzeit geht es mir wieder so gut, dass ich mittlerweile schon wieder bald ein Jahr arbeiten gehe. Auch fühle ich mich so fit, dass ich ein weiteres Abenteuer eingegangen bin, nämlich, ein Tervueren-Mädchen zu meinen Jungs dazu zu nehmen. Ja, ich habe mein Leben umgestellt, und ganz sicher sind und bleiben meine Hunde immer ein wichtiges Stück davon.

Mal abgesehen von meinen Kindern, meinen Eltern und meiner Schwester, allen voran meiner jüngsten Tochter, bin ich davon überzeugt, dass mir meine beiden Tervueren-Rüden Leon und Omero die Kraft gegeben haben, diese Krankheit zu über- und durchzustehen.Sie sind mit mir durch dick und dünn gegangen. Und auch ich werde mit ihnen – egal was passieren wird – für immer durch dick und dünn gehen. 

Meine Jungs – ihr habt mir geholfen zu überleben! Ihr habt mir geholfen zu leben, und auch ein Stück weit zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben. Ihr seid für mich der Quell meines Lebens, der Quell meiner Hoffnung! Danke. 🙂