Bei der Zucht gibt es viele Aspekte, mit denen man sich als Züchter beschäftigen und auseinandersetzen muss. Ein Punkt dabei, der nicht meine eigenen beeinflussbaren Faktoren betrifft, ist es den „richtigen“ Deckrüden für meine Hündin zu finden, und so die vermeintlich ideale Verpaarung zu planen. Vorab muss gesagt werden, dass es den „richtigen“ Rüden natürlich nicht gibt. Es gibt nur den oder die Rüden, die für mich den idealen Grad-Messer darstellen. Für andere Züchter sind andere Rüden idealer, weil die Prioritäten vermutlich zum Teil anders liegen, als bei mir.

Den Anfang macht es, zu definieren, auf welche Punkte ich bei der Auswahl besonders achten möchte. Es gibt Aspekte, die verstehen sich quasi von selbst, denn bei denen geht es um die objektiv messbaren und unumstößlich wichtigen, gesundheitlichen Aspekte: HD- und ED-Werte müssen stimmen sowie Inzucht- und Ahnen-Koeffizient. Dies sind die Werte, die auf jeden Fall zu den Werten meiner Hündin passen müssen. Aber natürlich ist das nicht alles. Also, worauf achte ich noch?

Auf jeden Fall schaue ich mir – unabhängig von den reinen Zahlen, bzw. Werten die Stammbäume der in Frage kommenden Rüden an. Sind da Linien drin, die ich besonders toll finde, oder umgedreht, sind Linien enthalten, die ich gar nicht mag? In dem Zusammenhang schaue ich auch, ob es da Linien gibt, die in der Vergangenheit schon Auffälligkeiten gezeigt haben in Bezug beispielsweise auf mehr oder wenig regelmäßig auftretende Krankheitsbilder? Dies kann man natürlich leider nur bedingt überprüfen, denn es wird ja nicht von jedem Hundebesitzer der Tod oder auch die Todesursache eines Hundes an den Zuchtverband gemeldet. Dies gilt allerdings auch für Krankheiten. Insofern gibt es in dieser Hinsicht keinerlei Zuverlässigkeit. Aber aus den vorhandenen Daten kann ich als Züchter für mich Rückschlüsse ziehen. Selbstverständlich kann ich mich auch an die für mich zuständige Zuchtkommission wenden, und mich dort mit Informationen – soweit vorhanden – versorgen lassen. Ebenfalls kann ich mich von der Zuchtkommission oder meine3m Zuchtwart im Hinblick auf meine Auswahl beraten lassen.

Selbstverständlich müssen mir die Rüden auch optisch zusagen. Insofern sollte der Rüde meinem persönlichen Idealbild eines Rüden entsprechen, bzw. er sollte so aussehen, wie ich ihn mir vorstelle. Er sollte dabei möglichst wenig „Fehler“ haben, aber natürlich sind viele Aspekte auch dem subjektiven Empfinden unterworfen. So gibt es kein richtig und kein falsch beispielsweise bei der Charbonnage. Ob mir hier mehr oder weniger gefällt, ist kein objektiv messbares Kriterium. Genauso verhält es sich auch mit den anderen Faktoren hinsichtlich des Rassestandards. Kleine Ohren oder große Ohren? Lieber ein Rüde, der am oberen Ende der Größenskala steht oder doch eher ein kleinerer Rüde? Oder ich bewege mich einfach ganz nah am Standard, und wähle so die Mitte? Wie auch immer: hier spielen mein persönliches Empfinden und mein persönlicher Geschmack eine entscheidende Rolle. Ich sehe sofort, ob mir ein Rüde mehr oder eher weniger gefällt.

Natürlich muss man sich in dem ganzen Auswahlprozess auch sehr stark und vor allem mit seiner eigenen Hündin auseinandersetzen. Und hier darf man auch nicht nur seine eigene subjektive Sicht zulassen, sondern muss auch bereit sein, die Fehler, die die eigene Hündin hat – sofern man von tatsächlichen Fehlern überhaupt sprechen kann – zu erkennen, und sich diese einzugestehen. Vielleicht ist es auch besser, in dem Zusammenhang nicht von Fehlern, sondern von Schwächen hinsichtlich der Idealvorstellung des Rassestandards zu sprechen. Ja, der Begriff Schwächen ist hier eindeutig besser. Nun ja, auf jeden Fall versuche ich bei der Auswahl des Deckrüden die eventuellen Schwächen meiner Hündin mit den Stärken des Rüden auszugleichen. Hat meine Hündin beispielsweise eine leicht zu offene Maske, dann werde ich versuchen, einen Rüden zu finden, der eben eine starke Maske hat. Das gleiche gilt für alle anderen Aspekte auch. Hat die Hündin zu wenig Charbonnage, dann suche ich mir einen Rüden, der möglicherweise eben viel Charbonnage hat.

Bis hierher waren das aber alles nur Aspekte, die erstmal und auch augenscheinlich gut miteinander vergleichbar und auch kombinierbar sind.

Wichtig bei der Entscheidungsfindung ist auch, aus welcher Art von Linie der Rüde stammt, und was mit ihm gearbeitet (oder eben auch nicht) wird. Suche ich beispielsweise einen Rüden aus einer Sport- oder Leistungszucht oder möchte ich einfach „nur“ einen Rüden, der mehr oder weniger als Familienhund mit einem „normalen“ Maß an Sport/Arbeit beschäftigt wird.

Leider ist der Genpool für unsere Rasse, bzw. Varietät hier in Deutschland nicht so riesig, so dass es durchaus sein kann, und auch die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass ich meine Suche über die Landesgrenzen hinaus führen muss, und dann vielleicht eher im europäischen Ausland fündig werde. Dies wiederum sorgt möglicherweise dafür, dass der Grad an Inzucht etwas reduziert wird. Die Suche im Ausland ist natürlich ungleich aufwändiger. Hier muss ich auch bereit sein, Ausstellungen beispielsweise in Frankreich, Tschechien oder auch Skandinavien zu besuchen. Etwas näher liegen da räumlich für mich das Mutterland unserer Rasse oder auch die Niederlande.

So – jetzt habe ich also den Rüden gefunden, der für mich sowohl von den Werten als auch optisch in Frage kommt. Und das war es jetzt? Kann ich jetzt meine Wurfplanung entsprechend anstoßen? Nein. Noch lange nicht. Aber was fehlt denn jetzt noch?

Also, der nächste Schritt ist, dass ich Kontakt aufnehme mit dem Deckrüden-Besitzer. Auch der Deckrüden-Besitzer muss sich ja vorstellen können, seinen Rüden mit meiner Hündin zu verpaaren. Wenn ihm meine Hündin nicht gefällt, oder er ganz andere Ziele verfolgt, dann kann ich als Züchter so viel planen, wie ich möchte, der Wurf wird dann dennoch nicht zu Stande kommen. Nun kann sich der Deckrüden-Besitzer den Wurf aber doch vorstellen. War es das dann? Nein, immer noch nicht.

Sofern ich den Rüden noch nicht persönlich kenne, möchte ich ihn natürlich kennenlernen, weil der Rüde ja auch charakterlich passen muss. Das bedeutet, wenn der Rüde einen Charakter hat, den ich mir für die von mir gezogenen Welpen gut vorstellen kann, und der auch gut zum Charakter meiner Hündin passt, dann steht dieser Verpaarung nicht mehr viel im Wege. Tatsächlich bin ich persönlich auch ein großer Freund davon, dass sich die beiden Hunde im Vorfeld der Verpaarung kennenlernen, um so sehen zu können, ob sich Rüde und Hündin mögen und verstehen. Immerhin haben wir es hier immer noch mit Natur zu tun, und auch unter den Hunden gibt es Sympathie und Antipathie. Also muss diese Hürde auch noch genommen werden.

Wenn jetzt alles passt, dann kann die Wurfplanung bei der Zuchtkommission zur Genehmigung eingereicht werden. Und zu guter Letzt kann natürlich hier noch ein – aus welchen Gründen auch immer – Veto erfolgen. Also, das muss auch passen.

Wenn ich jetzt als Resümee quasi einen Strich unter die Rechnung ziehe, dann muss ich feststellen, dass es sehr aufwändig und überhaupt nicht einfach ist, den idealen Deckrüden für meine Hündin, bzw. Verpaarung zu finden. In jedem Falle muss ich einen gewissen Zeitaufwand für diesen Prozess einplanen. Und auch wenn unser erster Wurf zeitlich noch etwas entfernt ist, diesen Auswahlprozess zeitlich recht früh im Vorfeld jetzt schon zu führen, ist sicherlich nicht verfrüht. Mittlerweile habe ich für unseren ersten Wurf den Rüden im Kopf, den ich mir vorstellen könnte einzusetzen. Die Zukunft wird zeigen, ob er es denn dann auch wird, oder vielleicht doch ein anderer Rüde. Die Suche und Auswahl beschränkt sich ja sowieso nicht nur auf einen Rüden, sondern auf eine Auswahl von mehreren Rüden.

Gerne werde ich nach der erfolgten Deckung meine Kriterien und meine konkrete Entscheidungsgrundlage zur Auswahl des entsprechenden Deckrüden preisgeben. Ich denke, das ist nur fair, auch – und vor allen Dingen – den Welpeninteressenten bzw.- käufern gegenüber.